Compliance innerhalb der Europäischen Union
Die Europäische Union plant, in den kommenden Jahren rund 800 Milliarden Euro in ihre Verteidigungsfähigkeit zu investieren. Die Verteidigungsausgaben steigen und etablieren einen Wirtschaftszweig, der in Europas Wirtschaft bislang ein Schattendasein führte. Von den bereitgestellten Mitteln profitieren nicht nur etablierte Konzerne. Auch für Start‑ups sowie Unternehmen, die ihre Produktion den neuen Rahmenbedingungen anpassen, eröffnen sich neue Vertriebswege in der Europäischen Union.
Auch wenn die Europäische Union den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vorsieht, bestehen für bestimmte sensible Güter Exportkontrollen – selbst innerhalb der EU. Diese betreffen Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch (Dual-Use) genutzt werden können und sicherheitspolitisch besonders relevant sind. Die Ausfuhr von solchen sogenannten Dual-Use-Gütern – also Gütern mit zivilem als auch militärischem Verwendungszweck unterliegen in der Europäischen Union und in Österreich speziellen rechtlichen Rahmenbedingungen.
In Österreich erfolgt die Umsetzung und Vollziehung der EU-Vorgaben durch das Außenwirtschaftsgesetz 2011 (AuWG) und die darauf basierende Außenwirtschaftsverordnung 2019 (AuWV), wobei die relevante EU Verordnung (EU) 2021/821 unmittelbar anwendbar ist.
Genehmigungsfreie Lieferungen & Catch‑all‑Klausel
Zuerst gilt, dass die Verbringung von Dual-Use-Gütern innerhalb der EU von der Genehmigungspflicht befreit ist, das betrifft z.B. CNC‑Maschinen, Walzanlagen, Bildverstärker, LIDAR-Technologie, Hochleistungslaser, Trägheitsnavigation, Turbinen und Raketen um nur einige Beispiele aus Anhang I der EU Verordnung 2021/821 zu nennen. Sie dürfen außer in der EU auch an „vertrauenswürdige“ Drittstaaten (USA, UK, CH usw.) geliefert werden. Immer vorausgesetzt, dass kein Risiko besteht, dass die Güter in ein „nicht vertrauenswürdiges“ Drittland exportiert werden.
Der genehmigungsfreie innereuropäische Export ist zuerst beschränkt durch die Catch‑all‑Klausel der Verordnung, die darauf abzielt, den Export von Gütern, die für Weapons of Mass Destruction, militärische Zwecke in Embargoländern oder schwere Menschenrechtsverletzungen in Drittländern bestimmt sein könnten, einer Genehmigungspflicht unterwirft. Die Regel stellt nur auf riskanten End‑Use ab. Sobald die Behörde oder der Exporteur selbst (!) erkennt, dass ein – auch nicht gelistetes – Erzeugnis für den verpönten Zweck bestimmt sein könnte, wird eine Genehmigungspflicht ausgelöst.
Der Exporteur ist verpflichtet mittels internem Compliance‑Programm (ICP) und Risikobewertung, eine Due‑Diligence‑Prüfung vorzunehmen. Schon eine plausible Kenntnis oder ein begründeter Verdacht reichen aus, um eine Melde‑ bzw. Genehmigungspflicht auszulösen. Das, unabhängig davon, ob das Produkt objektiv Dual‑Use‑Eigenschaften besitzt oder gelistet ist.
Streng kontrolliert: Güter des Anhangs IV
Neben den in Anhang I angeführten Gütern unterliegen Güter, die in Anhang I und Anhang IV der EU-Verordnung 2021/821 angeführt sind, einer zwingenden Exportbewilligung. Das betrifft z.B. Stealth‑/Tarntechnologien, Zünd‑ und Sprengtechnik mit Hochexplosivstoffen, Unterwasser‑Akustik & Schallsignatur‑Reduktion, Kryptoanalyse‑Hardware/‑Software und Nukleare Sonderstoffe und Anlagen und erstreckt sich auch auf die Weitergabe von Wissen in diesen Bereichen, sei es analog oder digital. Sie dürfen wegen ihrer besonders hohen Proliferations‑ und/oder Sicherheitsrelevanz auch bei Verbringungen innerhalb der Europäischen Union nur mit behördlicher Genehmigung transferiert werden. Sie sind immer exportkontrollpflichtig, auch wenn sie „nur“ von Österreich in einen anderen EU‑Staat geliefert werden.
Wichtig ist zu beachten, dass auch die reine Wissens‑ oder Softwareübertragung (etwa per Download oder Cloud‑Zugriff) einer Genehmigungspflicht unterliegt.
Beantragung einer Exportgenehmigung
Anträge (analog und digital) werden beim BMAW gestellt. Benötigt werden u.a.:
- detaillierte Waren‑, Software‑ oder Technologiebeschreibung
- Angaben zu Käufer, Endverwender und Verwendungszweck
- End‑Use‑Certificate des Empfängers
Die Bearbeitungszeit beträgt zumindest mehrere Wochen, bei besonders sensiblen Gütern kann eine Konsultation mit anderen EU-Staaten notwendig sein. In Fragen kommen Einzel-, Global-, oder Allgemeingenehmigungen.
Verstöße gegen die Exportkontrollvorschriften werden mit Geldstrafen oder mehrjährigen Freiheitsstrafen geahndet. Zudem kann die Exportlizenz entzogen und der betroffene Unternehmer in der Zukunft vom Export ausgeschlossen werden.
Fazit, Beratungsangebot
Auch innerhalb der EU sind Lieferungen österreichischer Dual‑Use‑Güter genehmigungspflichtig, wenn sie unter Anhang IV fallen oder ein Catch‑all‑Risiko besteht. Unternehmen sollten Warenlisten, Endverwendung und Empfängerländer konsequent prüfen und ihr ICP (Internal‑Compliance‑Programm) aktuell halten.
Die Schmidinger-Singer Meyer Zeilinger Rechtsanwält:innen GmbH steht Ihnen mit ihrer Erfahrung im Zivil-, Behörden- und Verwaltungsrecht bei der Produktklassifizierung, Antragstellung und Ausgestaltung Ihres Compliance‑Systems für eine rechtskonforme Teilnahme am europäischen Markt jederzeit gerne zur Verfügung.